Gewaltfreie Kommunikation

Marshall Rosenbergs Ansatz als komplementäre Methode in der Organisationsentwicklung

Erfahrungsbericht

Anlass - Konflikte in einem IT-Unternehmen in Folge einer Fusion

In Folge der Übernahmen eines größeren Mitbewerbers und der entsprechenden Reorganisation sind heftige Konflikte ausgebrochen, die zeitweise Stufe 5-6 der Glasl-Skala erreichten. Einige wichtige Mitarbeiter drohten das Unternehmen zu verlassen. Unser Auftrag war, zusammen mit einem Experten im IT-Bereich, die Reorganisation zu begleiten.

 

Ansatz - Intervention auf drei Ebenen: Organisation, Kultur, Persönlichkeit

Wir beschlossen parallel auf drei Ebenen zu intervenieren.

  • Die organisatorischen Entscheidungen wurden in „Lösungsworkshops“ erarbeitet. Da die Organisationsstruktur im Wesentlichen fest stand, sollte die Umsetzung schrittweise erfolgen und die Probleme fallweise bearbeitet werden, sobald sie auftraten. Wir versuchten eine strickt lösungsfokussierte Arbeitsweise vorzugeben. Konflikte, welche während der Workshops auftraten wurden benannt und deren Bearbeitung auf die „Klärungsgespräche“ und auf die Cochingtreffen verlegt.
  • Zur Entwicklung der Kommunikationskultur wurde die Methode der „Spontanen Klärungsgespräche“ gewählt. Konflikte und Störungen wurden positiv konnotiert und als Anlässe für Klärung gesehen. Die Methode wurde in vier kurzen Workshops schrittweise erklärt und die Mitarbeiter wurden angehalten, sie zu erproben und von ihren Erfahrungen schriftlich zu berichten.
  • Für die Coachinggespräche wählten wir die Methode der Gewaltfreien Kommunikation von Marshall Rosenberg. Es war uns wichtig, dass für alle Teilnehmer ein einheitlicher Ansatz verwendet wurde, damit dieser sich in der Unternehmenskultur verankern konnte. Rosenbergs Ansatz schien uns besonders geeignet, da er den Gefühlen eine angemessene Rolle beimisst und den Zusammenhang mit der konkreten Situation herstellt. 

 

Methode – Gewaltfreie Kommunikation

Die Methode von Marshall Rosenberg beruht im Wesentlichen auf vier Schritten:

  1. Beobachten und beschreiben statt bewerten: Was nehme ich war? Was ist der Auslöser für meine Gefühle?
  2. Gefühle wahrnehmen und benennen: Wie fühle ich mich? Welchen Namen gebe ich meiner Emotion? Wo im Körper fühle ich sie?
  1. Bedürfnisse erkennen und ernst nehmen: Was ist mein Wunsch? Was brauche ich?
  2. Bitten (und verhandeln)[1] statt fordern: Wer kann mir helfen, meinen Wunsch zu erfüllen? Was genau brauche ich von den Anderen?

Diese vier Schritte werden durchlaufen sowohl um das eigene Verhalten als auch das des Gesprächspartners zu verstehen. Wichtig ist für Rosenberg, dass alle vier Dimensionen auch konkret ausgesprochen werden: „ich sehe …, ich fühle …, ich wünsche …, ich bitte.“

Das Hauptziel der Coachinggespräche war, die Mitarbeiter zu befähigen, ihre Ziele für die Klärungsgespräche klar zu definieren. Sie waren teilweise so gereizt, dass sie immer wieder entweder in Anschuldigungen oder Klagen verfielen.

Das wichtigste schien uns bei den Coachinggesprächen, dass die Mitarbeiter ihre Gefühle nicht nur nach außen auf einen Schuldigen projizieren, sondern benennen und als Zeichen eines Grundbedürfnisses erkennen und ernst nehmen. Diese Umkehrung der Ausrichtung der Gefühle (Ohnmacht, Frust, Erniedrigung aber auch Wut, Überheblichkeit, usw.) von außen nach innen, war sehr oft ein Schlüsselmoment. So konnte der Mitarbeiter den Zugang zu seinem Grundbedürfnis finden und somit von dort ausgehend erkunden, was er konkret braucht um dieses zu befriedigen. Damit war die Basis für ein konstruktives Klärungsgespräch gegeben. In den meisten Fällen unterstützen wir den Prozess mit einer Systemaufstellung mit Figuren am Tisch oder mit Platzhaltern am Boden.

Das Konzept der Bitte, das für Rosenberg von zentraler Bedeutung ist, wurde von den meisten nicht so leicht verstanden. In einem Unternehmen sieht man die Leistungen der Kollegen eher als Pflicht, um die man nicht bitten muss. Wir haben deshalb das Konzept der Bitte mit jenem der Verhandlung ergänzt. Die Grundidee bleibt, meiner Meinung nach erhalten: man fordert nicht etwas aus einer übergeordneten Position, sondern man tauscht als Partner Leistungen wie zwischen Kunden und Lieferanten.

Eine gute Einführung findet man unter:
http://www.stangl-taller.at/ARBEITSBLAETTER/KOMMUNIKATION/gewaltfreie-kommunikation-rosenberg.shtml

 

Ergebnisse

Die Coachinggespräche mit dem Ansatz der „Gewaltfreien Kommunikation“ waren ein wichtiger Bestandteil der Interventionsarchitektur. Es gelang uns dadurch, einen Raum anzubieten, in dem die Konfliktthemen „ausgelagert“ werden konnten und gleichzeitig für die „Klärungsgespräche“ aufbereitet wurden.

Dass sie ihre (negativen) Gefühle ernst nehmen und als positive Kraft für ihre Entwicklung nutzen konnten, war für die meisten ein sehr befreiendes Erlebnis.

Nach einiger Zeit wurden die „Lösungsworkshops“, die anfangs äußerst mühsam verliefen, zu sehr produktiven Treffen in denen die Probleme gelöst und einstimmige Entscheidungen getroffen wurden. Selbst in den Fällen, wo keine Lösung gefunden wurde und Mitarbeiter das Unternehmen verließen, geschah dies auf korrekte und respektvolle weise.

Es ergab sich der glückliche Umstand, dass der Geschäftsführer sich sofort für die Gedanken von Marshall Rosenberg begeisterte und in seinen Führungsstil integrierte.

 



[1] Das Konzept der Verhandlung stammt nicht von Rosenberg sondern wurde von uns ergänzt